Spermidin

Fachkommentar: Mag. Pharm. Gabriele Müller

Dieses körpereigene Polyamin soll Alterungsprozessen entgegenwirken (Anti-Aging), vor Demenz schützen und sogar bei Krebs und gegen Corona-Viren helfen.

Falls sich die Ergebnisse erster Studien bestätigen würden, wäre Spermidin eine potentielle Wunderwaffe gegen das Altern.

WAS IST SPERMIDIN EIGENTLICH?

Es handelt sich um eine biogene Substanz, die in vielen Lebensmitteln enthalten ist, und auch von unserem Körper selbst hergestellt werden kann. Man wurde in den 70er Jahren erstmals richtig auf sie aufmerksam. Aufgrund der Ähnlichkeit mit Spermin und dessen Vorkommen in der männlichen Samenflüssigkeit gab man der Substanz den etwas irreführenden Namen „Spermidin“. Mittlerweile weiß man, dass Spermidin in den Zellen aller Lebewesen – auch in Pflanzen – vorkommt.
Einige unserer Darmbakterien können Spermidin produzieren. Man geht jedoch davon aus, dass unsere Zellen durch die körpereigene Produktion nicht ausreichend versorgt werden. Der fehlende Teil sollte mit der Ernährung zugeführt werden.

WORIN ist Spermidin natürlicherweise ENTHALTEN?

Einen erwähnenswerten Gehalt findet man in Lebensmitteln wie z.B. Weizenkeimen, Pilzen, Birnen, Kaffee, Kohl, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, gereiftem Käse und Sojabohnen.

WIE WIRKT SPERMIDIN?

Man könnte diese spannende Substanz als eine Art Müllabfuhr für unsere Zellen bezeichnen, denn sie regt deren Selbstreinigungsprozess an. Spermidin kann die sogenannte Autophagie, einen Zell-Recycling-Prozess, aktivieren.

WAS IST AUTOPHAGIE?

So bezeichnet man die „Entrümpelung“ und Reinigung der Zellen, indem sich die schadhaften Zellen quasi selbst fressen. Angesammelter „Zellmüll“ wie etwa gesundheitsgefährdendes und schädliches Abfallmaterial der Zelle, Schadstoffe, Krankheitserreger, fehlerhaft gefaltete Eiweißketten (wichtig bei neurodegenerativen Prozessen) usw. werden dadurch entsorgt und/oder recycelt. Gleichzeitig findet ein beschleunigter Stoffwechsel in unseren Zellkraftwerken, den sogenannten Mitochondrien statt.

Alterungsprozess
Die Wissenschaft sucht nach Methoden
den Alterungsprozess zu verlangsamen.

AUCH FASTEN HILFT

Auch beim Fasten oder Intervall-Fasten, bei welchem man 16 Stunden am Stück keine Nahrung aufnimmt (16:8 Fasten), wird dieser Selbstreinigungsprozess in Gang gesetzt. Denn hier stehen den Zellen weniger Nährstoffe von außen zur Verfügung. Folglich verwerten sie mittels Autophagie ihre eigenen Ressourcen. Das Fasten galt lange als einzige Methode, diesen für den Körper wichtigen Reparaturvorgang zu initiieren. Mittlerweile gibt es sich mehrende und ernst zu nehmende Hinweise, dass Spermidin ähnlich positive Effekte auch ohne Nahrungsverzicht stimuliert.

POTENTIELLE WIRKUNGEN VON SPERMIDIN

Wir alle altern. Die Wissenschaft sucht nach Substanzen und Methoden, diesen Prozess aufzuhalten oder zu verlangsamen. Spermidin ist hier ein hoffnungsvoller Kandidat. Denn laut Studien soll die Substanz Alterungsvorgängen der Haut, der Gelenke, des Gehirns, des Herz-Kreislaufsystems und auch des Immunsystems entgegenwirken können. Da die Zellen „entmüllt werden“, kann dies zur Minderung von Ablagerungen, welche degenerative Erkrankungen wie beispielsweise Alzheimer oder Morbus Parkinson auslösen, führen. Auf diese Weise soll Spermidin möglicherweise auch eine altersbedingte Versteifung des Herzmuskels verlangsamen. Darüber hinaus könnte es hilfreich bei der Vorbeugung der Arteriosklerose und bei hohem Blutdruck sein. Auch die Hirn- und Gedächtnisleistungen sollen verbessert werden. Sogar beim Thema Corona werden dem Spermidin mittlerweile positive Wirkungen zugeschrieben. Es gibt Hinweise, dass die Immunantwort verstärkt und sogar die Vermehrung der Viren selbst gehemmt wird.

Seit einiger Zeit sind auch hochwertige Spermidin-haltige Nahrungsergänzungsmittel im Handel. Diese werden vorwiegend aus Weizenkeimen oder Sojabohnen gewonnen. Vorsicht geboten ist jedoch bei unerlaubt reißerischen, gesundheitsbezogenen Werbeaussagen zu Spermidin-Präparaten. Besonders unseriöse Onlineplattformen und Internet-Händler werben teilweise mit haarsträubenden Versprechen. Der Gehalt und Inhalt der Produkte wird hier meist weder geprüft und noch überwacht. Deshalb sollten diese Präparate nur in Apotheken oder bei geprüften, zertifizierten Fachhändlern erworben werden.

Die Bioverfügbarkeit – also wieviel zugeführtes Spermidin tatsächlich im Blut und in den Zellen ankommt – muss in nächster Zeit noch genauer untersucht werden.

Fest steht, je älter wir werden, desto weniger Spermidin steht uns natürlicherweise zur Verfügung. Der Gehalt in unseren Zellen nimmt mit dem Alter leider zusehends ab. Eine zusätzliche Versorgung könnte die altersbedingt nachlassende Hirnleistung verbessern und die Zellalterung verlangsamen.

Spermidin - Altern
Laut Studien soll Spermidin Alterungsvorgängen der Haut, der Gelenke, des Gehirns,
des Herz-Kreislaufsystems und auch des Immunsystems entgegenwirken können.

ANTI AGING – WAS HILFT?

Unser Alterungsprozess ist teilweise genetisch vorprogrammiert. Der so veranlagte Part ist leider kaum beeinflussbar. Der andere Teil allerdings wird von äußeren Faktoren wie Ernährung, Lebensgewohnheiten, Stress, Genussmitteln und vielem mehr geprägt. Dabei können Antioxidantien wie die sogenannten Polyphenole aus Pflanzen helfen. Hierzu zählt man u.a. Carotinoide (z.B. Betacarotin, Lutein, Zeaxanthin, Lycopin usw.), Anthocyane (z.B. in Himbeeren oder Rotkohl), Catechine (z.B. in grünem Tee, das bekannte OPC (oligomere Proanthocyanidine) aus beispielsweise Traubenkernen oder Pinien) oder das Resveratrol aus dem Wein. All diese sekundären Pflanzenstoffe wirken gesundheitsfördernd und können unsere Zellen schützen. In diese Reihe nützlicher Substanzen reiht sich das Spermidin vielversprechend ein. Oft werden verschiedene dieser Stoffe in Nahrungsergänzungsmitteln miteinander kombiniert.

Die Daten zum Effekt von Spermidin sind spannend. Es bleibt weitergehende Studien abzuwarten, um die Wirkung am Menschen vollständig abzuklären.

Der Artikel Spermidin ist erstmals auf APOgesund.at erschienen.